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Seit einigen Jahren erinnert der Verein „Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen rechts“ regelmäßig im November an die Verbrechen der Nationalsozialisten.
Heuer konnte die Vorsitzende Angelika Graf Frau Prof. Dr. Anette Eberle von der katholischen Stiftungshochschule München zum Thema „Euthanasie und Zwangssterilisation als Teil der Auslese- und Ausmerze-Politik der Nationalsozialisten“ begrüßen. Sie präsentierte Fakten, die – so Angelika Graf – „einem den Schlaf rauben“.

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Frau Dr. Eberle stellte zunächst am Beispiel des Wolnzacher Psychiaters Dr. Dolf Hamburger die Situation von Ärzten bzw. Medizinstudenten jüdischer Herkunft dar. Dolf Hamburger wurde während der Nazizeit wegen seines jüdischen Vaters vom Studium ausgeschlossen, der Vater musste nach einem Aufenthalt im KZ Dachau 1938 Haus und Praxis unter Wert verkaufen und ins Ausland emigrieren. Bereits seit 1933 wurde jüdischen Ärzten die kassenärztliche Zulassung und später dann auch die Approbation entzogen. Der Sohn Dolf musste am Ende des Krieges Zwangsarbeit leisten, konnte dann nach 1945 aber noch Psychiatrie studieren. Sein Bericht über seine Arbeit in psychiatrischen „Anstalten“ wie Eglfing-Haar macht deutlich, dass das Gedankengut der Nazizeit über den Umgang mit Behinderten in der deutschen Psychiatrie noch lange nachwirkte.

In der Nazizeit waren viele Ärzte, die ab 1933 in verantwortlicher Position geblieben waren, oder gar von dem Weggehen und Verdrängen der anderen profitiert haben, maßgeblich an den Menschenrechtsverbrechen innerhalb der Medizin beteiligt: Zwangssterilisation und Krankenmorde. Oft wurden junge Menschen einer Zwangssterilisation unterzogen, die die Tragweite dieser Operation erst spät realisierten. Frau Dr. Eberle bezog sich bei ihrer Schilderung z.B. auf den Fall einer 17-jährigen jungen Frau, welche wegen eines Nervenzusammenbruchs in die Psychiatrie eingeliefert worden war. Sie wurde als „psychiatrischer Fall“ nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ von 1934 trotz des Protestes des Vaters 1935 in Bonn sterilisiert. Ihr Fall war nur einer von vielen. Insgesamt etwa 400.000 Menschen wurden im Gebiet des deutschen Reiches aber auch in den besetzten Gebieten zwangssterilisiert. Das Programm „Auslese und Ausmerze“ bedeutete bis 1945 Zwangssterilisation, Zwangsarbeit, gezielte Unterversorgung der Hilfsbedürftigen in den Anstalten bis hin zu Krankenmorden.

Viele Behinderte aus Bayern – davon 230 auch aus dem Heim in Attl bei Wasserburg – wurden ab 1940 unter dem Stichwort „lebensuntüchtig“ im Rahmen der Mordaktion „T4“ zunächst nach Eglfing-Haar verlegt und dann in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim bei Linz verbracht. Mit 44,7 % wurde knapp die Hälfte der bayerischen Anstaltspatienten bei dieser ersten „Euthanasie“-Aktion ermordet. Aber das Morden ging danach weiter. Auch grausame medizinische Versuche bleiben den Verschleppten nicht erspart.
Auch Kinder waren nicht verschont. In Eglfing-Haar richtete sich der Vernichtungswille der Ärzte bereits seit 1939 gegen Kinder, die von einem Reichsausschuss für „erb- und anlagebedingtes Leiden“ in eigene Abteilungen in den Psychiatrien eingewiesen wurden. Zwischen 1940 bis 1945 wurden 332 Kinder ermordet.
Der ehemalige Leiter der Behinderteneinrichtung in Attl, Alfred Eiblmaier und sein Kollege Prantl-Küssel berichteten von den Forschungen der Stiftung Attl über die Geschehnisse in Attl seit 1940 und die Schwierigkeiten, die bei den Nachforschungen aufgetreten seien. Ein Mantel des Schweigens und der Abwehr seien über den Ereignissen gelegen. Für besonders wichtig werden die Denkmäler in Attl und Schloss Hartheim und die Broschüre der Stiftung Attl mit der namentlichen Auflistung aller zwischen 1940 und 1941 ermordeten Bewohner von Attl erachtet. Ein Besuch in Hartheim wäre auch Bestandteil für alle Auszubildenden in Attl.
Teil der Diskussion war die lasche Strafverfolgung der für die Verschleppung in den Tod Verantwortlichen nach dem Krieg. Hier gab es mit wenigen Ausnahmen nur kurze Haftstrafen oder gar Freisprüche, einige bekleideten gar bis weit in die 80er-Jahre hohe Positionen in der ärztlichen Standesvertretung.

Demokratie - Toleranz - Integration - Zivilcourage - Weltoffenheit!

Der Verein „Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen Rechts“ wurde 2000 in Rosenheim gegründet. Er ist ein Zusammenschluss von engagierten Bürgerinnen und Bürgern aus allen Bevölkerungsschichten, die sich für unsere offene Demokratie und die individuellen Rechte jedes Einzelnen einsetzen. Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit und die Auseinandersetzung mit dem aufkommenden Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Deutschland und Europa. Der Verein ist überparteilich. Als einen Schwerpunkt unserer Arbeit sehen wir die Bildungsarbeit und die damit verbundene Erinnerungskultur. 

Der Verein agiert in seiner Arbeit absolut gewaltfrei und achtet auch darauf, dass Veranstaltungen, an denen er teilnimmt, gewaltfrei ablaufen.

Aktuelle Themen und Veranstaltungen:

Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen Rechts e. V. unter neuer Leitung

Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen Rechts e. V. unter neuer Leitung

21 Jahre war Angelika Graf, MdB a. D., Vorsitzende von Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen Rechts. Mit der Jahreshauptversammlung 2022 verabschiedete sich Graf als Vorsitzende und richtete in ihrem Rechenschaftsbericht den Blick auf die vergangenen 20 Jahre sowie auf die Zukunft des Vereins: „Die Anzahl der Mitglieder ist in den letzten 20 Jahren deutlich gewachsen, und die Diskussionen über den Kampf gegen Rechts haben sich verändert. Ich bin sicher, dass der neue Vorstand mit Fantasie und Kreativität neue Themen aufgreifen wird.“
Zur neuen Vorsitzenden wurde Judith Schäfer gewählt, ihre Stellvertreterin ist Ricarda Krüger. Der bisherige Stellvertreter Karl-Heinz Brauner wie auch Angelika Graf sind jetzt Beisitzer bzw. Beisitzerin im Vorstand.
„Ich freue mich als stellvertretende Vorsitzende in Zukunft neue Veranstaltungen und Projekte voran treiben zu können. Es ist mir schon immer eine Selbstverständlichkeit, mich gegen jede Art von Rassismus und Faschismus zu stellen. Wir müssen die Aufklärung und die Sensibilisierung für diese Themen weiterhin intensiv in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen“, machte Krüger deutlich.
„Die Pandemie hat auch Facetten von Rechts aufgezeigt – Spaziergänger und Spaziergängerinnen, Querdenker und Querdenkerinnen sowie die ewig Gestrigen. Es gilt, klar und geschlossen dem Motto des Vereins zu folgen und dagegen ‚Gesicht zu zeigen‘. Mit dem neu gewählten Team bündeln sich bewährte und neue Kräfte, die sich dieser Aufgabe stellen“, so die neue Vorsitzende Schäfer.

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Causa Aiwanger: Ein „weiter so“ darf es nicht geben!

Causa Aiwanger: Ein „weiter so“ darf es nicht geben!

Hubert Aiwanger, stellvertretender bayerischer Ministerpräsident, wird im Amt bleiben. So hat es Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident, entschieden.
Ja, es steht beim Sachverhalt Aussage gegen Aussage – Hubert Aiwanger dementiert, das widerwärtige Pamphlet in seiner Schulzeit verfasst zu haben. Nachweisen, wer es wirklich war, kann man heute nicht mehr. Die Zeugenaussagen sind widersprüchlich. Dass die Schriftstücke in seiner Tasche waren, ist jedoch unbestritten. Und wie es Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, so treffend formulierte: „Nichts fliegt von selbst in eine Tasche“.
Erschreckend an der Causa Aiwanger ist der Umgang von Hubert Aiwanger mit der deutschen Geschichte sowie seine Polemik als solche. Seine populistischen Redeschwalle, die auf der Erdinger Demo den erschreckenden Höhenpunkt fanden, zeigen deutlich: Die Grenzen, die ein Politiker ziehen sollte, sind ihm unbekannt und eines Ministers unwürdig.
Seine Reaktionen und Entschuldigungen nach der Veröffentlichung in der Süddeutschen Zeitung weisen in dieselbe Richtung: Statt einer aufrechten Distanzierung kam immer wieder der Fingerzeig auf Medien und seine ehemalige Schule. „Hexenjagd“, so nennt es Aiwanger. Man fühlt sich an die Wortwahl des Ex-Präsidenten Trump erinnert. Sie schwimmt mit in der rechtspopulistischen Suppe, die der Gesellschaft scheinbar immer wirkungsvoller eingeflößt wird. Das zeigen auch die Bierzeltauftritte in den letzten Tagen. Die „Fans“ wollen offensichtlich nicht verstehen, was der Unterschied zwischen einem Schülerstreich und dem rechtsextremistischen Flugblatt ist, das Herr Aiwanger in der Tasche hatte. Der Schritt von ihm zur AfD ist nicht weit.
Herr Söder war offensichtlich der Ansicht, es wäre das kleinere Übel, Herrn Aiwanger als stellvertretenden Ministerpräsidenten zu behalten. Das wird sich noch als fataler Irrtum herausstellen! Denn, wer ist voraussichtlich der Gewinner der Affäre?

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Veranstaltungsankündigung

Veranstaltungsankündigung

Jakob Springfeld stellt sein Buch "Unter Nazis - JUNG, OSTDEUTSCH, GEGEN RECHTS" in Rosenheim vor

Am Mittwoch, den 13. März um 19 Uhr, liest Jakob Springfeld aus seinem Buch „Unter Nazis – JUNG, OSTDEUTSCH, GEGEN RECHTS“ im Affekt, Wittelsbacherstrasse 37 in 83022 Rosenheim.

Der Verein Gesicht zeigen – Rosenheimer Bündnis gegen Rechts e. V. hat Jakob Springfeld, der von ZEIT-Campus zu den 100 wichtigsten Ostdeutschen ernannt wurde, für eine Lesung in Rosenheim eingeladen. Der 2002 in Zwickau geborene Springfeld erhielt in Stuttgart die Theodor-Heuss-Medaille für besonderes Engagement für Demokratie und Bürgerrechte. In seinem Buch beschreibt er, warum im Osten der Boden für die Instrumentalisierung von Existenzängsten besonders fruchtbar ist. Springfeld berichtet auch von seinen Versuchen, Sachsens Zivilgesellschaft sichtbarer zu machen. Welche Lehren er daraus zog und welche Bedrohung aus strukturellem Rassismus und Rechtsextremismus für Deutschland entsteht, darüber erzählt Jakob Springfeld am 13. März im Affekt, Wittelsbacherstr. 37 in Rosenheim.

Der Eintritt ist frei. Bezüglich der Teilnahme an der Veranstaltung gilt das Hausrecht



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